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Alt 03.08.2010, 17:06   #1
lampe02
Ist alles so schön bunt hier!
 
Benutzerbild von lampe02
 
Registriert seit: 25.04.2009
Ort: Recklinghausen
Beiträge: 48
Wettkampfbericht Ironman Zürich 2010

Am 25.07. war es soweit – der Ironman in Zürich stand an. Vor mehr als 12 Monaten habe ich die Entscheidung getroffen auf dieses Event hin zu trainieren. Nun war es soweit die Saat der letzten 8 Monate konsequenten Trainings einzuholen. In den letzten 12 Monaten bin ich ca. 7300km Rad gefahren, habe 1300km mit Laufschuhen zurückgelegt und bin 150km geschwommen.

Am 24.07 checkten meine Freundin Sandra, die mich wie immer 100%ig unterstützte, und ich meine Rennutensilien in die Wechselzone am Zürichsee nach dem großen Regen ein. Das Wetter für den kommenden Renntag sollte sich noch bessern und in der Tat konnten wir bei sonnigen 21°C das Rennen beginnen - aber alles der Reihe nach.

Abends besuchten wir Freunde in Zürich die uns auf das ultimative Carboloading (Perfekte Nudeln mit noch besserer Sauce und einem Salat für die Kaliumzufuhr) einluden. Nach einem sehr schönen Abend (für mich leider ohne Alkohol) machten wir uns gegen 22:00 Uhr auf den Weg ins Hotel.

In der Nacht konnte ich dieses Mal sehr gut schlafen. Der Wecker war auf 04:00 Uhr gestellt und pünktlich wurde ich 3 Minuten vor 04:00 Uhr ausgeschlafen wach… Damit war der Grundstein für den längsten Tag des Jahres gelegt.

Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ging es zum Zürichsee wo um 05:30 Uhr bereits einiges los war. Tausende Leute waren schon am Zürichsee – 2200 davon in der Wechselzone bei den Rädern um ein letztes mal den Luftdruck der Räder zu checken – den Wechselplatz zu kontrollieren und zu richten (stehen die Laufschuhe am richtigen Platz etc.) Ein letztes Mal wurde nach 20 minütigem Anstehen vor einem Dixi erfolglos versucht sein morgendliches Geschäft zu verrichten… und dann wurde alles ziemlich hektisch. Eigentlich wollte ich mich vor dem Schwimmstart noch einschwimmen um meinen Puls aufzudrehen. Zeitlich war das aber zu knapp. Sandra half mir den Neopren anzuziehen und zu schließen und Zack schon startete das Hauptfeld pünktlich 5 Minuten nach den Profis um 7:00 Uhr.


Schwimmen:
Der Schwimmstart bei Ironman in Zürich ist anders als in Frankfurt aufgestellt. Alle 2200 Athleten sind über ca. 100m sehr breit gefächert an Land. Was auf dem Papier sehr gut ausgesehen hat stellte sich später als Problem dar, da das gesamte Feld sich trichterförmig auf die erste Boje zubewegte. Hier hat man also mit dem gleichen Effekt zu kämpfen wie als wenn eine 4-Spurige Autobahn auf einen Streifen verengt wird. Es gab Stau. Während der ersten 500m war an richtiges schwimmen überhaupt nicht zu denken. Es ging stop & go voran. Von hinten wollten Hunderte an einem vorbei – schlugen auf die Beine – schlugen auf den Rücken – drückten mir die Beine nach unten und schlugen mir Ellenbogen ins Gesicht. Schneller schwimmen war nicht möglich weil vor einem auch Beine waren die nicht schneller voran kamen. Genau bis zur zweiten Boje die vom Schwimmstart 1000m entfernt gewesen war hat es gedauert bevor ich einen Vierer-Zug schwimmen konnte und endlich meinen Arm komplett durchziehen konnte. Weitere 600m später stand jedoch der Landgang auf dem Programm für den man durch einen engen Kanal schwimmen musste. Bei dem es sich schon wieder staute ohne Ende. Jetzt kommt jedoch der Knall: bei dem Landgang wurde vom Veranstalter eine Rampe aufgebaut über die man auf die kleine Insel kam um den 30m Landgang zu bewältigen zu können. Diese Rampe hat jedoch eine einzelne Stufe gehabt. Einer der Helfer sagte noch Vorsicht Stufe – bevor ich überhaupt realisieren konnte wie dieses einzusortieren war, war es auch schon gestehen. BAM ! Ich knallte mit dem Fuß direkt vor dieselbe…

Fluchend stürzte ich mich in die zweite Schwimmrunde. In der Zwischenzeit hatte sich das Feld jedoch entspannt und ich konnte endlich schwimmen. Mit einer Schwimmzeit von 1:27 blieb ich unter meinen Möglichkeiten. Ich schätze mal, dass ich die Strecke in 1:15 gut hätte schwimmen können (FFM 09 1:22). Egal dachte ich mir… Ein Ironman wird nicht im Wasser gemacht. Das ist das Aufwärmprogramm... und Aufgewärmt habe ich mich genug... Durch Schlenker und nichteinhalten der Ideallinie um weiteren Problemen im Wasser aus dem Weg zu gehen kam ich sicherlich auf 4km Schwimmstrecke...

Die erste Wechselzone habe ich in 5 Minuten bewältigt was schneller war als erwartet. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ich sogar noch mit Sandra am Wechselzonenzaun ca. 1 Minute gesprochen habe.

Nun kam die Disziplin die mir am meisten Spaß macht –


Radfahren:
Wichtig zu wissen ist, dass die Radstrecke nicht komplett für KFZ gesperrt ist. Es kann also sein, dass man plötzlich einen Jeep vor sich hat, der jedoch durch andere Athleten behindert wird, also nicht gescheit überholen kann. Dadurch wird das Feld gestaucht. Viele Athleten, insbesondere aus England nutzten diese Gelegenheit um illegaler weise im Windschatten der anderen Athleten zu fahren und so zu lutschen. Da sich große Gruppen bildeten war es auch nicht möglich wie bei einem „normalen“ Triathlon zu überholen. Nach ca. 52 km ging es Richtung Berge. Pünktlich zu diesem Zeitpunkt stieg auch mein Tacho aus. Ab dem Zeitpunkt war also Blindflug angesagt. Wichtig zu wissen ist, dass der Ironman erst ab km 100 wirklich startet und man die Gesamtendzeit nicht durch einen zu schnellen Radsplitt ruiniert, sondern durch eine zu schnelle erste (90km) Radrunde … Laut Arne. If you race your bike, you will walk the run – lautet die Regel. Zurück zu den Bergen. Wenn man im Münsterland trainiert hat sind das nicht nur Berge – das ist für einen Münsterländer das Zentralmassiv höchstpersönlich.

Üblicherweise ist es ja so, dass man den Berg den man langsam hinauffährt entsprechend schnell wieder hinunterfahren kann. Nicht jedoch in der Schweiz. Bei den Abfahrten war 1. Zeitlenkerfahrverbot und 2. War die Strecke so kurvenreich, dass man mehr damit beschäftigt war die Bremsen zum Glühen zu bringen als abzufahren. Insbesondere in Hinblick auf die Tatsache, dass die Engländer gefahren sind wie sau. Da wurde rausgezogen ohne nach hinten zu schauen es wurden Schlenker gefahren als wenn man beim Bowling einen Strike werfen wollte… Unglaublich. Erschwerend kam die Tatsache hinzu, dass kurz vor dem Wettkampf die „Hauptabfahrt“ noch mit Rollsplitt bearbeitet wurden. Also hieß es Augen auf beim Eierkauf. Die erste 90km habe ich gut überstanden. Nun hieß es die letzten 90km in Angriff zu nehmen. Hier begannen jedoch die Probleme. Konkret Magen und Nackenprobleme. Ich konnte nicht mehr in Zeitfahrposition fahren. Dieses Problem habe ich schon seit 18 Monaten und habe die Ursache – auch mit Hilfe von Physiotherapeuten und Ärzten nicht identifizieren können. Ich hatte also schon damit gerechnet. Viel größer war jedoch das Magenproblem. Bei jeder Pedalumdrehung (und von diesen machte ich 80 die Minute) war es ein Gefühl als wenn man einen Schlag in den Bauch bekommt. Ich war also doppelt gezwungen die aerodynamische Zeitfahrposition zu verlassen und musste Oberlenker fahren.

Als Ursachen kamen folgende Faktoren in Frage:
1. Das Seewasser – was jedoch sehr klar war
2. Die massive Energieaufnahme (alle 20 Minuten einen halben PowerBar Riegel – zusätzlich zwei PowerGels pro Radrunde und darüber hinaus 1,5 Liter Powerdrink Performance pro Radrunde.
3. Die Supplementierung mit verzweigt verketteten Aminosäuren BCAA’s
4. Die Supplementierung mit Salztabletten

Die einzige Schraube an der ich drehen konnte waren die Salztabletten. Also entschloss ich mich die Versorgung mit diesen einzustellen. Wenn ich an Punkt zwei geschraubt hätte, hätte ich spätesten bei km 25 des abschließenden Marathons ein Treibstoffproblem bekommen.

Es war die richtige Entscheidung. Nach ca. 100 Minuten Oberlenker und einer 2 Minütigen Pause um den Nacken zu strecken (und auszutreten) konnte ich wieder an der Gasschraube drehen und alles lief wieder wie ein Schweizer Uhrwerk. Natürlich hat mich diese Aktion Zeit gekostet (genauso wie die Tatsache, dass ich auf der zweiten Radrunde zweimal mein Werkzeug-Kitt in einer Abfahrt verloren habe - zu schnell über Bodenwellen geheizt - und dieser erstmal wieder suchen durfte...), jedoch war das primäre Ziel FINISHEN nicht mehr gefährdet. Es war mir sogar möglich, jetzt wo das Feld sich entspannt hat, gescheit abzufahren.

Das ging sogar soweit, dass ich die Marshals auf den Motorrädern überholte und links liegen ließ. Da kam schon ein wenig Tour de France Feeling auf. Da mein Tacho mich ja im Stich gelassen hatte schätze ich meine Geschwindigkeit beim Abfahren ohne Triaposition auf 75 km/h. Auf gerader Strecke ist dann der Marshal auf seinem Motorrad neben mich gefahren und da dachte ich mir nur „jetzt bekommste ne gelbe oder schwarze Karte wg. Gefährdung“ … Denkste. Er hat nur gegrinst und mir „Daumen hoch“ gezeigt. TOP! Ab in die Wechselzone hieß es nach dem zweiten Aufenthalt in meinen persönlichen Pyrenäen. Das Wechseln ging mit 3 Minuten nochmals schneller als gedacht.

Jetzt hieß es nur noch einen Marathon zu laufen. Also alle Energie auf die Lebenserhaltung und die strukturelle Integrität gelegt, noch nen Power Gel gezischt und ab geht die Post.


Laufen:
Die ersten 10 km gingen sehr gut. Damit war auch zu rechnen. Die Belohnung für die gute Radperformance war ja der aufrechte Gang. Zwei mal pro Runde sah ich Sandra am Streckenrand. Später kamen die Nudel-Spezis Sebastian und Verena noch hinzu. Das hat mich sehr motiviert und gefreut. Sebastian war früher schließlich im Nationalkader und hat phänomenale Zeiten realisieren können.

Meine Ernährung habe ich ab der zweiten Laufrunde komplett auf Cola (die sehr magenschonend ist), Gels und Bananen umgestellt. Ab diesem Zeitpunkt jedoch merkte ich, dass mein Hirn anfing Aussetzer zu haben. Beispiel: Ich lief an einer Verpflegungsstation vorbei mit dem Ziel einen mit Wasser getränkten Schwamm zu nehmen. Ich sah den Schwamm – wollte ihn nehmen und habe ihn vergessen. Anderes Beispiel: Es war an der Zeit für Treibstoff. Also hieß es Banane essen. 20 Sekunden nach der Verpflegungsstation wusste ich jedoch nicht mehr, ob ich die Banane auch gegessen habe oder ob ich diese auch wieder vergessen habe. Also zur Sicherheit noch ein Gel und ein RedBull – Cola – Isodrink Mix hinterher. Rein was geht.

Andere Athleten hatte übrigens nicht soviel Erfolg mit dem Bekämpfen der Magenprobleme. Ich habe einige Athleten gesehen die mit vollgeschissenem Tria-Einteiler den Marathon bewältigen mussten, weil sie von ihrem Magen-Darm Trakt in Stich gelassen wurden. Mann Mann – alles richtig gemacht und bloß keinen weißen Tria-Einteiler kaufen… Das stelle ich mir grade mal bei mir vor. Ich mit weißem Tria-Einteiler und blutrotem wässrigem Durchfall (ich hatte 5 Tage vor dem Wettkampf täglich 0,5 Liter Rote Bete Saft zugeführt. Dieses Gesöff vermindert den Sauerstoffbedarf der Muskeln um 20% und alle Exkremente werden knalle Rot). Ich glaube da wird man vom Rennarzt nicht nur aus dem Rennen genommen, sondern sofort in die Notaufnahme eingewiesen…

Nach der dritten Laufrunde habe ich versucht die Zahlen auf meinem Pulsmesser zu interpretieren und in der Tat – das sekundäre Ziel – einen Ironman in paar was anne 11 Stunden zu realisieren liegt in greifbarer Nähe. Praktischerweise bedingt das sekundäre Ziel auch das Tertiäre… Den Marathon ohne Gehpausen (mal von den Verpflegungsstellen abgesehen) zu bewältigen.

Also Energie aus der Lebenserhaltung abziehen und in die Beine umleiten. Die größte Angst hatte ich einen Hungerast zu bekommen. Ich sah viele Athleten in der vierten Laufrunde (dieses konnte man wunderbar erkennen, da man in der Mitte jeder Laufrunde ein verschiedenfarbiges Haargummi über die Arme gestreift bekommen hat – Das Gummi der 4. Laufrunde war rot… ), die nur noch gingen. Die haben überzogen und sind kurz vor dem Ziel geplatzt… If you race your bike……

Meine zweitgrößte Angst war wg. der verminderten Salzzufuhr einen Krampf zu bekommen. Diese Kausalitätskette musste ich also vermeiden. Trotzdem bin ich gerannt wie der Teufel. Ich sag euch… km 31 bis km 41 beim Ironman Zürich war das aller aller härteste was ich bisher erlebt habe. Diese lumpigen 10km haben sich auf meiner Festplatte eingebrannt… Aber mit Happy End…

Überglücklich habe ich trotz nicht optimalen Schwimmens und Problemen auf der Radstrecke alle meine Ziele in 11:50:46 Std. (Marathonzeit 04:21) realisieren können. Damit verbesserte ich meine Zeit um fast eine Std. im Vergleich zu dem letztjährigen Ironman in Frankfurt, der eine nicht so anspruchsvolle Radstrecke aufweist…

Eins ist jedoch im Vergleich zum letztjährigen Ironman gleich geblieben… der härteste Teil waren die 5 Stufen hinauf in den Duschwagen…:-)

Nach einer für mich fast schlaflosen Nacht (ja, 2,5 Liter Cola und 6 RedBull wirken schon sehr intensiv) wachten wir am folgenden Tag um 09:45 Uhr auf. Und ich kann euch sagen – alles – und damit meine ich ALLES hat weh getan…


Aussicht:
Ab 10:00 Uhr öffnete die Challenge Roth die Anmeldung für 2011…. Um 10:19 Uhr hatte ich mich bereits angemeldet.

Gruß
Thomas
lampe02 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.11.2010, 15:30   #2
mopson
Szenekenner
 
Registriert seit: 29.11.2010
Beiträge: 388
ist mir auch so gegangen,
beim schwimmen genau so, rad ist mir die uhr kaputt gegangen, laufen war nicht so angenehm...
nur die wechselzeiten war gut...:-P

schöner bericht, sehr cool geschrieben...
mopson ist offline   Mit Zitat antworten
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