Bevor ich über 2012 berichte, ein kurzer Einblick in meiner Seelenlage zu DNF-WKs im Allgemeinen:
Ich hasse sie.
Auch wenn das vielleicht so locker flockig rübergekommen sein mag, ich finde es grundsätzlich inakzeptabel, nicht zu finishen, schon allein als Schwabe dreht sich mir das Sparschwein um, denn wo sonst blecht man für 400,- bis 500,- € für ein 5,- €-T-Shirt, nur weil „Finisher“ draufsteht?
Alle WKs, die ich bis heute nicht beendet habe, MÜSSEN also noch gefinisht werden, egal wie.
Mit dieser Devise startete ich also wild entschlossen ins Jahr 2012.
Aufgrund der schon von Beginn an offenkundigen Abneigungen der Regensburger gegen diesen die Region doch ungemein bereichernden INTERNATIONALEN Wettkampf der Spitzenklasse (kurz: ich habe keinen Schimmer, warum man ausgerechnet in Regensburg den zweiten IM veranstalten wollte oder musste - nix gegen Regensburg und die Gegend, aber ich sehe da ganz andere Orte in D-Land) war ich gezwungen, direkt nach 2011 wieder in Regensburg anzutreten, obwohl auch Nizza, Roth, Ostseeman und in gewisser Weise Lanza offenstanden.
Doch schließlich konnte man nicht wissen, ob es noch mal einen IM Regenburg geben würde - und dann hätte ich KEIN Finisher-T-Shirt.
Kreisch.
Martin, der im Jahr zuvor gefinisht hatte, zeigte sich solidarisch und meldete sich ebenfalls an, diesmal war Regensburg der Bauern wegen schon Mitte Juni, man musste sich also sputen.
Über das Wintertraining muss ich nicht viel erzählen, es kam noch eine Stunde mit der Jugendgruppe des Ruderclubs am Dienstagabend hinzu, ich machte ein bisserl weniger Krafttraining (hat sich irgendwie ergeben), aber im Großen und Ganzen war es wie 2011.
Ein anderer nicht-sportlicher Freund fragte mich, ob wir nicht gemeinsam wegfahren sollten, er wolle in die Sonne und wir buchten für erstaunlich günstiges Geld zwei Wochen im Las Playitas auf Fuerte, wo ich mit 28 und 29 Stunden richtig trainieren konnte, fast immer zwischen 3 und 4h auf dem Rad (1x fünf), gefolgt von Läufen zwischen 30min und 80min.
Das Besondere an dem Training war:
Ich machte die kurzen Intervalle immer morgens gleich nach dem Aufstehen, in der ersten Woche noch gefolgt von jeweils Schwimmtraining, in der zweiten Woche hatte ich anscheinend keine Lust mehr auf Schwimmen, aber das Grundprinzip lautete zweimal Laufen pro Tag:
Morgens Laufintervalle von 10sec bis 1min, nach dem Radeln gleichmässig laufen (die Leuchtturmstrecke in allen Längen bzw. Wiederholungen).
Zurück aus Fuerte plantschte ich beim Duathlon in Krailing im strömenden Regen, zwei Wochen später startete ich in meiner MD-Heimatstadt Linz (keine Ahnung, warum sich das so entwickelt hat, aber auch dieses Jahr bin ich wieder dabei) und freute mich über die halbwegs ordentliche Schwimm- und Radperformance, ärgerte mich allerdings über das erneute Aufflammen meiner üblichen Magenprobleme, die mich zig Plätze kosteten.
Die Zeit bis Regensburg war mit fünf Wochen recht knapp und wie es im Allgäu der Fall ist (ein HNO-Arzt meinte dieses Jahr zu mir, mit meinen HNO-Problemen sei das Allgäu der denkbar schlechteste Platz zum Leben …), spielt das Wetter im Mai/Juni nicht immer so mit, wie es der anfällige Triathlet will.
Im Rückblick steht in meinem Trainingstagebuch daher nichts Vergleichbares zum Jahr davor drin:
Es war eher ein Gewürge und Geziehe. Erstaunlich dafür, dass ich extra zwei Wochen auf Fuerte fleissig war, aber so ist er nun mal, mein Körper, eine geheimnisvolle schwarze Blackbox.
Je näher der WK kam, desto öfters sagt das Tagebuch „Krank“, „schei**e, nicht wohl gefühlt“, „schwache Beine“ usw.
Hätte ich mich nicht schon angemeldet gehabt, hätte ich nicht das Jahr davor in der Nacht zum WK abgeloost und hätte ich nicht so eine unmissverständliche Einstellung zu DNFs - ich wäre nicht nach Regensburg gefahren.
Und wenn man seinem Trainingstagebuch am Freitag vor dem WK verrät: „Schei*e, wo kommt die Erkältung her? KRANK“, sollte man nicht zwei Tage später starten, aber … siehe oben.
Ich saß also konsequenterweise am Sonntagmorgen an einem Tümpel nahe Regensburg mit ein paar Hundert (oder waren die Tausend voll?) Leuten, war total entspannt, denn ich hatte nur ein Ziel und dafür hatte ich 15 Stunden Zeit:
Ich wollte diese verdammte T-Shirt.
Für mich war klar, dass ich mich nicht zu stark belasten durfte, was mir beim Schwimmen generell keine Probleme bereitet, die 58.19 hätte ich auch noch mal schwimmen können (nicht wirklich …
).
Die Radstrecke in Regensburg hatte zwar ein paar Anstiege, aber man kann sie durchaus schnell fahren, wenn man fit ist.
Mir war’s wurscht, Hauptsache, unter fünf Stunden, so eitel war ich dann doch, und nach 4.56.58 (erstaunlicherweise immer noch die schnellste Radzeit meiner AK) und dem Wechsel trabte ich an sybenwurz vorbei, wohl wissend, dass nun die eigentlich Aufgabe vor mir liegen würde, denn S und R krieg’ ich immer irgendwie hin, aber 42km mit einer , wenn auch abklingenden, Erkältung sind eine andere Hausnummer.
Bitte keine Hinweise auf Blödheit, Unverantwortlichkeit, Gefährlichkeit - ich hatte ALLES im Griff!
Und zwar so, dass ich mich sogar extra in ein Rote Kreuz-Zelt legte, damit die mich durchcheckten, denn ich fühlte mich halt doch kagge.
Ich wechselte also zwischen Laufen, Gehen und Besuch des RK-Zeltes und hielt nach fast fünf Stunden auf der Laufstrecke, davon gefühlt eine Stunde bei den supernetten RKlern, endlich diese saublöde T-Shirt in der Hand - und es war nicht mal schön, sondern netzhautablösend hässlich!!
Nun war ich also das erste Mal in meinem Leben mit 10.54 fast elf Stunden Bestandteil einer LD gewesen und es hat mich sehr beeindruckt:
Weniger, dass ich trotz Erkältung das Ding geschafft hatte, nein, ich war von all den Athleten nahezu überwältigt, die in „Zeitgefilden“ unterwegs waren, wo ich fast schon geduscht bin.
Das meine ich vollkommen ehrlich:
Als Pro vorne rumzuturnen oder als wahlweise ehrgeiziger, begabter (oder beides) Agegrouper um die Sub9-Marke zu kämpfen, ist keine große Sache - dafür hast Du trainiert, dafür bejubeln Dich die Zuschauer, also do it.
Doch wenn Leute nach sieben, acht oder neun Stunden auf die Laufstrecke gehen und dann noch ihr Ding durchziehen, obwohl inzwischen auch der engagierteste Zuschauer keine Kraft mehr zum Klatschen hat, ein Gutteil der Leute im Start/Zielbereich schon verschwunden ist und die Helfer Dir die Brühe, die sie Stunden vorher noch Cola genannt haben mit einem nur noch müden Lächeln (weil ja auch schon ewig beschäftigt) überreichen können - DAS sind für mich die IRONMÄNNER oder IRONFRAUEN!
(Auch wenn es nur noch ein Label ist, kennzeichnet es die Selbst- und Außensicht eines LD-Finishers immer noch ziemlich gut.)
Insofern hatte ich aus Regensburg nicht nur ein bestechend (!) grünes T-Shirt mitgenommen, sondern auch die weit über den Triathlonsport hinausgehende Erkenntnis, wie wenig ich in den bis dato zehn Jahren vom Triathlonsport wusste.
Denn ICH musste mich nie über die Jahre von hinten nach vorne „durchtrainieren“, sondern konnte dank genetischen Glücks einfach recht weit vorne beginnen.
Ich konnte mich von Beginn an über „tolle“ Zeiten freuen und mich damit für den Triathlonsport motivieren, aber für einen Großteil der Teilnehmer ging es nicht, konnte es gar nicht um „tolle“ Zeiten (im Vergleich zu den richtig guten Leuten) gehen, sondern es ging einzig und allein um sie selbst, um ihre Zeiten, um ihr Durchkommen - ihre Motivation entstand allein aus ihnen selbst heraus.
Ich habe aufgrund des Prozesses und der Unplanbarkeit des Lebens (wie ich 2004 die Jahre nach unserem Hausverkauf vorausgeplant hatte (gerade finanziell, sonst hätte mein Frau nie mitgespielt) und was dabei herausgekommen ist, taugt nicht mal mehr zur Komödie, das wäre normalerweise Beleg von pathologischem Wahn …
) sehr viel lernen müssen und lernen dürfen, vor allem eins:
Demut.
Dank Regensburg erhielt diese „Fähigkeit zur Demut“ (klingt saublöd, kann ich aber gerade nicht anders formulieren) noch eine weitere Facette, die ich zwar theoretisch immer drauf hatte, aber es persönlich zu erleben: what a difference.
2012 ging somit denkwürdig zu Ende:
Ich war sehr am Grübeln, ob ich diese Triathlonsache nicht beenden sollte, denn meine lächerliche Anfälligkeit für das deutsche Klima, die unergründliche Empfindlichkeit meines Magen-/Darmbereichs und die von meinem Umfeld gestellte Frage, ob ich nicht schlicht zu alt für so was wäre (wofür gibt’s denn Golf und Tennis?), bildeten den idealen Nährboden für tiefe Zweifel.
Und tatsächlich mussten die Langdistanz-Veranstalter 2013 und 2014 ohne mich schauen, wie sie ihre Rennen vollbekamen, denn ich konnte nicht, jeweils aus völlig unterschiedlichen Gründen …