@qbz: Weiß man ungefähr, warum diese Entwicklungsstufe nicht vollständig überwunden wird, wenn man älter wird? Meine Frage zielt darauf ab, dass wir ja über Erwachsene reden, nicht über Vierjährige. Du beschreibst also einen "Ursprung". Aber warum ändert es sich nicht im Erwachsenenalter? Bleiben manche Leute stehen, oder bewahren sie es sich (durch ständigen "Gebrauch")? Oder wird es im Erwachsenen-Alter wieder "aktiviert", wie eine Erinnerung?
Weiß man etwas darüber?
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Die Vorstufen des operational-formalen Denkens reichen für viele Alltagssituationen aus und viele einfache Handlungsweisen basieren auf magischen Denkweisen. Auch helfen schwarz-weiss Kategorien und Projektionen das Leben bei Konflikten zu vereinfachen. In Religionen gelten solche Denkweisen als normal und sie werden deswegen, treten sie in kulturell verbreiteten religiösen Zusammenhängen auf, nicht als "pathologisch" eingestuft. Auf mich wirkt es kindlich-magisch wenn Papst Franziskus von konkret benannten Aktivitäten des Teufels auf der Erde als einer real existierenden Person spricht, aber niemand würde das als Wahn bezeichnen wegen der kulturellen Verbreitung. Sagt mir hingegen der Nachbar, der Teufel wäre in seiner Wohnung, würde man dieses Erleben als religiösen Wahn charakterisieren.
Dann können natürlich auch Schicksalsschläge eine Regression in kindliche Erlebnisweisen auslösen, indem Betroffene bei Schutzengeln, Gott, Maria etc. wieder wie früher Trost und Geborgenheit suchen, also von imaginierten positiv besetzten Schutzgestalten Beistand erhalten.
Hier noch ein längeres Zitat von einem Psychologen, Thomas Grüter, der sich damit intensiver beschäftigt hat (Thomas Grüter: Magische Denken. Wie es entsteht und wie es uns beeinflusst. 2010).
"Das magische Denken ist bei Menschen weit verbreitet und völlig normal - wenn man als normal ansieht, was die Mehrheit denkt. Laut einer Allensbach-Umfrage vom März 2005 glauben mehr als zwei Drittel der Deutschen an gute und böse Vorzeichen. Umfragen in anderen westlichen Ländern zeigen ähnliche Ergebnisse.
Beim Aberglauben, der auf magischem Denken fußt, handelt es sich um die Annahme eines objektiv nicht vorhandenen oder unmöglichen Wirkzusammenhangs. Allerdings muss er in der jeweiligen Kultur akzeptiert sein. So glauben viele Deutsche daran, dass eine Wünschelrute unterirdische Wasseradern anzeigen kann - sie würden aber kaum vermuten, dass ihr Handy klingelt, weil sie gerade über eine Wasserader laufen. Beides ist gleichermaßen unmöglich, nur ist das Wünschelrutengehen kulturell verbreitet. Das Gleiche gilt für den Glauben an die Wirkung von Amuletten und Maskottchen, an Gebete, an gute und böse Omen und unsichtbare Wesen.
Zwei Systeme im Gehirn
Eine Reihe von Psychologen wie der Amerikaner Seymour Epstein und der Brite Jonathan Evans schlagen vor, zwei Systeme für die Verarbeitung von Informationen im menschlichen Gehirn anzunehmen: ein evolutionär altes Erfahrungssystem und ein jüngeres, nur beim Menschen entstandenes rational-analytisches System.
Das rational-analytische System arbeitet bewusst, abstrakt, langsam, schlussfolgernd, vorwiegend verbal und integriert unser Weltwissen. Es verlangt eine geistige Anstrengung. Doch einen größeren Einfluss auf unsere Gefühlslage und damit auf die Motivation zum Handeln hat das Erfahrungssystem. Es arbeitet schnell, vorbewusst, integrativ, anstrengungslos und konkret. Es betrachtet gleichzeitige Wahrnehmungen als zusammenhängend. Es baut eine kausale Verbindung zwischen einem Ereignis und einer direkt folgenden Erfahrung auf - ganz gleich, ob das nun objektiv stimmt oder nicht." http://www.spiegel.de/wissenschaft/m...-a-706517.html
Kurz: Die Religionen müssen ihre Aussagen unabhängig von der Naturwissenschaft beweisen oder zumindest plausibel machen. Das gilt um so mehr, als dass sie die Naturwissenschaft pauschal als nicht zuständig ablehnen.
Religion und Naturwissenschaft sind keine Gegensätze. Ich habe das oft versucht zu erklären.
Ich zitiere daher diesmal aus dem Büchlein "Wiederkehr des Atheismus" (2008) des Freiburger Professors Dr. Magnus Striet:
Auf Seite 140 schreibt er:
"Gott, so lehren es Philisophie und Theologie seit Jahrtausenden, kann nur als etwas gedacht werden, das die Welt als Ganze trägt. Folglich wird Gott durch Wissenschaften, die lediglich an allgemein vergleichender Weise auf Teile der Welt ausgerichtet sind, gar nicht berührt. Die Expansion des Wissens betrifft den Gottesbegriff nur, sofern sie jedem vor Augen führt, dass Gott ein über die Faktizität erhebenes Wesen ist."
Weiter schreibt er auf Seite 141:
"Der Glaube verlangt einen reifen Verstand, so wie er auch vom Wissenschaftler erwartet wird. Der Wissenschaftler aber muss die Grenzen des Wissens einzuschätzen wissen, wenn er vermeiden will, aus der Kenntnis eines Teils der Natur Schlussfolgerungen für das Ganze der Welt zu ziehen.
[...]
Mit seinem Wissen kommt er am Ende auch nur an den Punkt, über die Einheit des Ganzen zu staunen"
Naturwissenschaften sind ein legitimes Mittel, Gott auf die Spur zu kommen. Ich habe lange Zeit Glauben und Wissenschaft getrennt gehalten. Mittlerweile bin ich längst überzeugt, dass sie auf das Gleiche hinauslaufen.
Entsprechende Literatur zur Entdeckung Gottes am Rande der Erkenntnis habe ich hier. Vielleicht komme ich am Wochende noch dazu, auch daraus zu zitieren. Es ist extrem spannend
"Gott, so lehren es Philisophie und Theologie seit Jahrtausenden, kann nur als etwas gedacht werden, das die Welt als Ganze trägt. Folglich wird Gott durch Wissenschaften, die lediglich an allgemein vergleichender Weise auf Teile der Welt ausgerichtet sind, gar nicht berührt. Die Expansion des Wissens betrifft den Gottesbegriff nur, sofern sie jedem vor Augen führt, dass Gott ein über die Faktizität erhebenes Wesen ist."
Wo ist der Beleg?
Sein Beleg besteht darin, dass Philosophie und Theologie es lehren. Aber ist es auch zutreffend?
Wenn die Theologie richtig liegt: Wieso widersprechen sich dann alle Religionen?
Das Buch ist Scharlatanerie, lediglich verschleiert durch wohlfeile Worthülsen. Beispielsweise: Gott ist "ein über die Faktizität erhabenes Wesen". Wer soll denn auf sowas reinfallen? Der Autor weiß über das Wesen von Gott überhaupt nichts.
Es gibt indische Theologen, die aus sicherer Quelle wissen, Gott wäre eine Kuh.
Meines Wissens bezeichnet er Richard Dawkins als "biologischen Hassprediger"; und das wirft doch ein sehr spezielles Licht auf seine "Argumentation".
Aus dem selben Buch (von einem anderen Autor):
"Was mir zudem ganz unabhängig vom prinzipiellen Positionierungen in der systematisch-theologischen Reflexion der Gottesfrage zu wenig berücksichtigt scheint, ist zum einen, dass wir philosophisch den möglichen Anspruch eines Unbedingten immer nur als Echo im Medium unserer endlichen Vernunft vernehmen können. Zum anderen bleibt theologisch zu beachten, dass alle Gottesrede dogmatisch gesehen unter den Bedingungen von Gen 3, also des Sündenfalls geschieht - und darin wurzelt der Umstand, dass selbst die Rede von einem Gott der Liebe einer Logik der Parteilichkeit gehorcht, die auch noch den selbstbezogenen Tunnelblick des Sünders in die ohnehin unumgänglichen Anthropomorphik aller Gottesrede spiegelt."
Religion und Naturwissenschaft sind keine Gegensätze. Ich habe das oft versucht zu erklären.
Ich zitiere daher diesmal aus dem Büchlein "Wiederkehr des Atheismus" (2008) des Freiburger Professors Dr. Magnus Striet:
Auf Seite 140 schreibt er:
"Gott, so lehren es Philisophie und Theologie seit Jahrtausenden, kann nur als etwas gedacht werden, das die Welt als Ganze trägt. Folglich wird Gott durch Wissenschaften, die lediglich an allgemein vergleichender Weise auf Teile der Welt ausgerichtet sind, gar nicht berührt. Die Expansion des Wissens betrifft den Gottesbegriff nur, sofern sie jedem vor Augen führt, dass Gott ein über die Faktizität erhebenes Wesen ist."
Weiter schreibt er auf Seite 141:
"Der Glaube verlangt einen reifen Verstand, so wie er auch vom Wissenschaftler erwartet wird. Der Wissenschaftler aber muss die Grenzen des Wissens einzuschätzen wissen, wenn er vermeiden will, aus der Kenntnis eines Teils der Natur Schlussfolgerungen für das Ganze der Welt zu ziehen.
[...]
Mit seinem Wissen kommt er am Ende auch nur an den Punkt, über die Einheit des Ganzen zu staunen"
Naturwissenschaften sind ein legitimes Mittel, Gott auf die Spur zu kommen. Ich habe lange Zeit Glauben und Wissenschaft getrennt gehalten. Mittlerweile bin ich längst überzeugt, dass sie auf das Gleiche hinauslaufen.
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Der hier zitierte Autor sagt nach meinem Verständnis genau das Gegenteil von dem, was Du am Schluss schreibst.
Gibt es möglicherweise noch weitere Stellen in der Bibel, die zugunsten der Wirkung auf den Leser etwas von der Wahrheit abweichen?
Äh, selbstverständlich gibt es die. Die Evangelien sind Fanberichte. Bestreitet das irgendein zeitgenössischer (wissenschaftlicher) Theologe? Hast Du Dich jemals mit moderner Exegese befasst?
Wenn z.B. erzählt wird, Paulus habe auf seinen Missionsreisen alle möglichen Abenteuer überstanden, geht es darum, eine gute Story zu präsentieren und Paulus als Helden darzustellen. Das ist nicht meine Privatmeinung, sondern Konsens unter modernen Exegeten.
Das Buch ist Scharlatanerie, lediglich verschleiert durch wohlfeile Worthülsen. Beispielsweise: Gott ist "ein über die Faktizität erhabenes Wesen". Wer soll denn auf sowas reinfallen? Der Autor weiß über das Wesen von Gott überhaupt nichts.
Hast du das Buch gelesen? Es ist ein großer Fehler dogmatisch vorzugehen und schnell zu urteilen.
Solche Bücher geben Denkanstöße und selbstverständlich will ich von einem Prof. der Theologie Theologisches hören. Viele Menschen denken, sie müssen zwischen einer religiösen und einer wisschenschaftlichen Weltanschauung wählen. Das stimmt aber nicht. Beide Tore stehen offen und laden ein.
Wenn z.B. erzählt wird, Paulus habe auf seinen Missionsreisen alle möglichen Abenteuer überstanden, geht es darum, eine gute Story zu präsentieren und Paulus als Helden darzustellen. Das ist nicht meine Privatmeinung, sondern Konsens unter modernen Exegeten.
Aber wenn Paulus über die Geringstellung der Frauen in der Gemeinde spricht, dann ist das natürlich keine Story, sondern dann wird das so gemacht.