Zitat:
Zitat von Klugschnacker
"Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel."
(Bertrand Russell)
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Na ja.
M.E. ist sowohl die pauschale Unschuldsvermutung als auch die pauschale Schuldvermutung verpflichtet im konkreten Einzelfall genauer hinzusehen. Da nimmt sich die Qualität der Sichtweisen der Dummen und der Gescheiten nix.
Verpflichtet, vor allem dann genauer hinzusehen, wenn es um staatliche oder sportliche Sanktionen also um das Sprechen von Recht i.W.S. geht.
Der "gesunde Menschenverstand" - ich bin ein Verfechter desselben - ist wieder ne ganz andere Sache: Er ist ja im Endeffekt das Ergebnis aus Lebenserfahrung bzw. wie es Einstein sinngemäß mal formulierte: Aus Vorurteilen. Freilich gibt es deshalb a priori Unterschiede im "gesunden Menschenverstand". Als Werkzeug des Lebens ist er aber deshalb nicht schlecht. Nicht das Beste, aber auch nicht schlecht. Vor allem ist er aber recht praktisch und lösungsorientiert.
Erstaunlich ist in solchen oder ähnlichen wie der vorliegenden Fragestellung allerdings schon, welch hohen Grad an Übereinstimmung man mit dem "gesunden Menschenverstand" zwischen den meisten Menschen recht schnell herstellen kann. Das mag an einer ähnlichen Wahrnehmung und Sozialisierung von Zeitgenossen liegen.
Der Dumme im Russel Sinne ist sich hinsichtlich der Eigenschaften der Menschen möglicherweise oft deshalb sicher, weil er sich ggf. mehr mit ihnen beschäftigt hat als der Gescheite. Zu oft sind die Gescheiten in formalen und strukturellen Denkmustern oder dem Ziel von 100% Antworten gefangen, was es erschwert - und sei es nur zeitlich - meist aber hinsichtlich der Komplexität des Lebens - sich mit den Menschen zu beschäftigen.
Und es ist zentral sich mit den Menschen zu beschäftigen, denn nur durch sie werden Handlungen ausgeführt, nur durch Menschen kommt es zu den Tatsachen in den Fällen. Das hat i. Wesentlichen auch der von Russel hochgeschätzte Wittgenstein gesagt: Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge. Oder wie ein niederbayerischer Philososop sagen würde: Es is hoid so wias is.
Derjenige der sich unsicher ist, also der Gescheite, kommt meist spät, oft zu spät, zu einer pragmatischen Lösung. Letztere ist sicher nicht immer ideal aber sie bringt die Dinge vorwärts.
Der Dumme in Russels Sinne ist meiner Wahrnehmung nach deshalb oft bei den Machern, bei den Umsetzern zu finden. Der Gescheite mehr in der Politik, weg vom Operativen oder an Universitäten in einer ganz eigenen Welt.
Es gibt viele Fragestellungen, deren Beantwortung eines Gescheiten bedarf - eines Russel'schen Zweiflers. Unsere Welt wäre eine andere, wenn es die Zweifler nicht gäbe. Selbiges trifft aber durchaus auf diejenigen zu, die - möglicherweise ohne weitere Beachtung von Details - einfach nach vorne gehen.