Einer von Tausend
MS wird nicht umsonst als die Krankheit mit den 1000 Gesichtern bezeichnet. Mal Rollstuhl, mal Rennrad, mal Gehstock, mal Laufen, unheilbar, nicht vorhersehbar, oft äußerlich gar nicht erkennbar. Betroffene wurden mitunter schon angepöbelt oder liegengelassen, weil ihre akuten Anfälle, Schwankungen, Zusammenbrüche mit Alkoholproblemen verwechselt wurden. Kurios ist aber, dass gerade die MS lehrt, dass manche Grenzen selbst gesetzt nur im Kopf existieren. Anderes muss man allerdings auch akzeptieren.
Wir starten um 7.30 Uhr an der Talstation der Nebelhornbahn in Oberstdorf und steigen auf dem Fahrweg Richtung Edmund Probst Haus. Die ersten rund 500 Höhenmeter sind zwar steil, aber gut machbar.
Um uns herum ist es völlig einsam, riesige Wände links ,rechts.Vor uns weitere 600 Höhenmeter direkt am Block, theoretisch sogar mit dem Rad fahrbar, die Steigungen durchgehend im Schnitt 25-35% oder teils mehr, für mich völlig unvorstellbar, aber wer weiß? Vor 12 Jahren absolvierte ich hier meinen vielleicht schönsten Lauf ever. Jetzt schnaufe ich schon beim Wandern, kann selbst hier nur auf dem Vorfuss aufsetzen, einfach zu steil, klasse Stimmung, im Leben, Hochgefühl
.
Oben angekommen wollen wir weiter zum Laufbichlsee, Richtung Großer Daumen.
Ich bin, ob der Beschreibung skeptisch, aber Herzblatt liebt solche Wege mitten im Berg. Und Herzblatt macht so viel für mich, unvorstellbar(auch wenn ich abends kein Bier im Kühlschrank benötige
), ich will mich revanchieren. Also holpern wir los, besser ich holpere, die zwei Jüngeren wandern.
Wohlgemerkt, wir sind nicht auf dem Heilbronner Klettersteig. Es gibt keine sonderlich ausgesetzten Stellen, das Wetter ist bombig und doch merke ich, dass der Weg mich stresst. Mein Gleichgewichtssinn ist mittlerweile zu schlecht, das Vertrauen fehlt.
Leider ist öfters kein Weg erkennbar, sondern mehr die Richtung markiert. Ich lande im Fels, drehe um, ah, weiter oben, klettern, vorsichtig mit Händen und Stecken wieder runter, weiter.
Ich schramme mir Knöchel und Waden, malträtiere bei einer Stelle meinen linken Meniskus, sehe statt den Geiern schon den Hely über mir kreisen.
Dabei bin ich nicht der Älteste, aber der Ungeschickteste. In der Jugend von K2 wäre es ein toller Weg für mich gewesen, jetzt nicht mehr.
Nach einer Stunde kommen wir zu einer Stelle, an der ich nicht mehr weiter weiß. Über den schiefen Fels balancieren, durch eine Rinne oder oben ohne Halt?
Alles keine Alternative, aber ich muss doch weiter, für Herzblatt. Ich krabbele durch die Rinne, ziehe mich an Wurzeln hoch, auf der anderen Seite wieder runter. Herzblatt frägt, ob wir umkehren sollen.
Nein, weiter.
Doch als später immer noch keine Wegbeserung in Sicht kommt, gebe ich auf
.
Wir drehen um. Eigentlich ein harmloser, gut machbarer Weg, aber für mich ist diese Hürde zu hoch, vielleicht gerade auch weil ich mich selbst zu arg unter Druck setze.
Der Rückweg klappt besser, zwar immer noch holprig, aber jetzt kenne ich die heiklen Stellen.
Zurück bei der Mittelstation schlägt K2 vor als Ausgleich auf das Nebelhorn zu wandern.
Auf einem steilem, aber breiten, einfachen Weg wandern wir die 300 Höhenmetern hoch. Kurioserweise kommt ausgerechnet hier der Hely wegen einer Frau tatsächlich noch zum Einsatz.
Oben auf dem Gipfel haben wir eine herrliche Weitsicht, die Stimmung ist wieder gelöst, insgesamt war es doch eine tolle Wanderung, auch wenn ich zwischendurch mein persönliches Fiasko erlebte.
Obwohl es mir schwer fällt, aber beim nächsten Mal darf Herzblatt solche Wege allein wandern, so viel Vertrauen, dass Sie nichts unvernünftuges unternimmt, muss ich haben, habe ich
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