Szenekenner
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Erste Auszüge aus dem «Spiegel»-Interview mit Jaksche
Nichts, was wir nicht schon geahnt hätten ...
Zitate aus dem Interview von Radprofi Jörg Jaksche mit dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel»:
«Auch wenn das jetzt nach Selbstbeweihräucherung klingt: Ja, ich habe gedopt, aber ich habe es nicht übertrieben. Ich habe nie künstliches Hämoglobin oder so was genommen, wo du einen allergischen Schock erleiden kannst. Und du beruhigst dich damit, dass ein Bodybuilder 16 000 Einheiten Wachstumshormon am Tag nimmt und man selbst eine Weile 800 Einheiten zur Regeneration. Dann denkst du: Na ja, so viel ist es jetzt auch nicht...»
«Doping hat niemandem gefallen, weder einem Stanga noch einem Riis, aber in der Welt, in der wir leben, herrschte dafür kein Unrechtsbewusstsein.»
«Fuentes war ein Meister der Tarnung. Keiner seiner Kunden wusste vom anderen. Noch nicht einmal in unserem Team war genau bekannt, ob noch mehr Fahrer bei ihm sind.»
«Radfahren an sich ist nicht schön. Es tut immer weh. Der Sport ist mit sehr viel Schmerz, körperlichem Schmerz, verbunden. Das Training ist der Versuch, deine Leistungsfähigkeit so zu steigern, dass du nicht abgehängt wirst, und damit es nicht so wehtut, gab es erst Kortison, dann Epo, und heute gibt es frisches Blut. Radfahren ist ein schwieriger Sport. Als Fußballer kann man 90 Minuten lang wie ein Trottel übers Feld laufen, dann schießt du in der Verlängerung das entscheidende Tor und bist ein Held. Im Radsport wird man bei 99 von 100 Rennen abgehängt, auch wenn du alles gibst. Es tut weh, die ganze Zeit, und man hat trotzdem nur selten Erfolg.»
«Es ist pervers, aber das Doping-System ist gerecht, weil alle dopen. Radsport ohne Doping ist nur gerecht, wenn wirklich niemand mehr dopt. Mir hat ein Fahrer erzählt, dass es wegen der Trainingskontrollen Deals geben soll zwischen ein paar Mannschaften und dem Weltradsportverband. Da muss man annehmen, dass es kein generelles Umdenken gibt. Das hat mir dieser Fahrer stolz erzählt. Da wusste ich: Nichts hat sich geändert.»
Kurz vor der Tour de Suisse im Juni 1997 habe er zum ersten Mal Epo gespritzt, sagte Jaksche, der auch mit dem Doping-Arzt Eufemiano Fuentes zusammenarbeitete und die Existenz von ihm gelagerter Blutbeutel bestätigte. Die von der Guardia Civil nach der Razzia bei Fuentes am 23. Juni 2006 sichergestellten drei 0,5 Liter-Behälter mit dem Codenamen «Bella» gehören ihm, sagte Jaksche: «Bella hieß meine vor drei Jahren gestorbene Labradorhündin.» Von 2005 an habe er sich verbotenen Eigenbluttherapien unterzogen. Neben Jan Ullrich ist Jaksche der zweite deutsche Profi auf der Fuentes-Kunden-Liste.
Mit Riis, der vor Wochen ein umfassendes Doping-Geständnis die 90er Jahre betreffend abgelegt hatte, habe er sich «über Cortekoide» ausgetauscht, die erste EPO-Spritze hätte er im von Stanga geleiteten italienischen Polti-Team 1997 erhalten. «Wenn du in deiner ersten Tour unter die ersten 20 fährst, musst du für deine Medizin nichts bezahlen», soll ihm der heutige Teamchef von Erik Zabels und Alessandro Petacchis Milram-Team 1998 mit auf den Weg gegeben haben. Godefroot habe in seiner Verantwortlichkeit für Telekom die Fahrer immer gewarnt, keine verbotenen Medikamente mit zu Rennen zu bringen. Jaksche: «Godefroot ging es nicht darum, auszuschließen, dass jemand dopt, sondern dass er ungeschickt dopt.» Riis, der jetzige Teamchef von Jens Voigt «wusste über Doping Bescheid, er sagte, was Sache ist», erklärte Jaksche.
Der lange Franke beschuldigte ebenfalls direkt einen Mediziner aus Bad Sachsa, gegen den die Staatsanwaltschaft Göttingen wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Arzneimittel-Gesetz bereits ermittelt. Der Arzt hätte ihm im Auftrag von Fuentes bei der Tour-de- France-Etappen-Station 2005 in Karlsruhe EPO auf dem Hotelzimmer gespritzt. Laut «Spiegel» haben alle Beschuldigten die Vorwürfe Jaksches zurückgewiesen.
Jaksche will sich nun den Sportverbänden und deutschen Ermittlungsbehörden als Kronzeuge zur Verfügung stellen. Er will von der in den Statuten der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA festgelegten Kronzeugen-Regelung auf eine Straf-Reduzierung von einem Jahr Sperre durch den Weltverband UCI profitieren. Er wolle seine Karriere 2008 fortsetzen, erklärte Jaksche im «Spiegel».
«Ich glaube, dass es wichtig ist für die Zukunft dieses Sports, dass einer mal sagt: Okay, so läuft das hier», sagte Jaksche. In den Rennställen Polti, Team Telekom, Once, CSC und Liberty Seguros, für die Jaksche seit 1997 fuhr, sei das Doping teilweise aktiv von der Mannschaftsführung betrieben oder geduldet worden. «Natürlich hat mir niemand den Arm für die Spritze festgehalten, aber die Teamleiter, die sich früher an dir bereichert haben, die dir die Sachen besorgt haben, ausgerechnet die tun plötzlich so, als würden sie alle für einen sauberen Radsport eintreten», sagte Jaksche.
... Vor seinem erfolgreichen Paris-Nizza hätte er vor drei Jahren auch Epo verabreicht bekommen, bekannte er nun.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
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