Naja, diese Gedanken lies ich sehr schnell los, als es begann mir richtig dreckig zu gehen. Mir wurde schlecht. Die Kraft ging aus. Galloway-Spucke hatte ausgedient, ich konnte es nicht mehr sehen. Einfach ekelhaft. Bevor ich kotzen würde, dachte ich, versuche ich mal Iso. Das ging dann besser. Schlecht war mir trotzdem noch, und mir wurde schon richtig schwindelig. Noch mehr Iso! Jetzt viel trinken, bloß nicht nochmal vom Rad fallen. OK…
Das hielt erst mal eine Weile.
In Greding traf ich wieder auf Reinhard und Nicole, die wieder was Aufbauendes zu sagen hatten wie „Gut schauts aus“ oder „Weit is es nimma“ oder „Glei hast as“ (das sind alles LÜGEN! Das weiß ich, aber ist trotzdem schön zu hören ).
Greding war noch ganz gut zu machen, aber danach zog sich die Auffahrt zum Kalvarienberg. Dort oben ist die Stimmung auch nicht schlecht, dafür, dass nur wenige Zuschauer dort stehen. Aber ich hatte keine Lust mehr zu feiern. Ich riss mich zusammen und grinste trotzdem noch (kann ja nicht so a dumme Lätschn hinziehen, wenn die da extra wegen mir
da rumstehen).
Danach war ich aber froh, dass ich erst mal meine Ruhe hatte. Dumme Lätsche ziehen, sich selbst ein bisschen bemitleiden…
Bis zum Solarer Berg hielt sich das aber so bei mir. Ich hatte schlichtweg keinen Bock mehr! Mir ging es einfach so dreckig, bei aller Liebe, ich hätte wirklich schon kotzen können. Mir wurde so oft schwarz vor Augen, und ich gluckerte wieder Wasser und Galloway und Iso rein. So viel konnte ich aber nicht mehr runter saufen, so oft wie mir schwarz wurde.
Ich habe mich dann selbst zusammen geschissen: „Stoi di hoit no mehr o! De 40 Kilometer schaffst jetz aa no.“
Ich sagte mir, ich dürfe nur die nächsten eineinhalb Stunden nicht nochmal vom Rad fallen, dann hab ich es hinter mir und ich darf laufen. Und was beim Marathon passiert, ist egal. Was in Roth ist, bleibt in Roth.
Dieses: „Nur noch 40 Kilometer“ gab mir dann die Motivation, durchzuhalten. Das war mein absoluter Tiefpunkt! Zumindest auf dem Fahrrad.
Dann kam der Solarer Berg. Ich hatte eigentlich keinen Bock mehr. Die ganze Masse, die einen feiert, einfach schrecklich! Dann muss man so tun, als würde man sich freuen, und das war einfach so anstrengend.
ABER, kaum bin ich auf den Solarer Berg zugefahren, musste ich doch schon wieder grinsen und feierte schlussendlich doch gern.
Der Berg war mal wieder viel zu kurz und oben angekommen hab ich Nicki und Haui gesehen. Nicki ist dann mit mir mitgelaufen und fragte: „Woah du arme Sau, wia geht’s da?“ Ich sagte so: „Scheiße, nach 10 Km hots mi scho vom Radl ghaut, aba net so schlimm.“
Nicki antwortete nur noch: „Shit, aba glei host as, dann sehngma uns beim Laffa.“
Noch um die 30 Kilometer.
Noch um die eine Stunde.
Ich hatte Verspannungen im Genick von meinem krummen Gesitze, Schmerzen in Daumen und Ellenbogen, die immer stärker wurden, immer mal wieder ein Blutstrom, Schwindel, Mental am Ende. Wirklich am Ende. Aber beim Laufen wird alles besser! Das redete ich mir solange ein, bis ich es selbst glaubte. Ich muss es nur noch eine Stunde lang aushalten, dann hab ich das allerschlimmste geschafft (wie war das am Anfang? Ich liebe Radfahren?). Denn beim Laufen müsste ich nicht mehr auf meine Arme aufpassen, mein Genick könnte entspannen, ich könnte auch einfach mal gehen oder stehen bleiben, wenn mir schwindelig wird. Ja beim Laufen wird alles besser!
Und so schaffte ich die letzten 30 Kilometer doch irgendwie.
Nach 6:23 Stunden hatte ich es geschafft!
Die Helfer nahmen mir mein Foltergerät (Rad) ab, endlich muss ich es nicht mehr sehen! Eine Helferin suchte bereits meinen Beutel raus und eine andere kam sofort auf mich zu und half mir beim umziehen und einpacken.
Man fragte mich, ob ich für meine Wunden irgendetwas bräuchte und ich dachte, ja, ein Pflaster wäre nicht verkehrt.
Das Rote Kreuz hatte mir dann für Ellenbogen und Daumen Pflaster zu Recht geschnitten. In dem Sanitätsbereich hab ich andere Athleten rum liegen sehen und dachte mir, da bin ich ja noch mal gut davon gekommen. Aber nicht zu früh freuen, das war mir klar. Es lagen ja noch 42 Kilometer vor mir, aber die sind ja niemals so schlimm als 30 Kilometer Rad zu fahren (äh ja… das redete ich mir wie gesagt ein).
Ich lief dann hochengagiert aus dem Wechselzelt raus, und verlor prompt mein Ellenbogenpflaster. Das hat sich ja rentiert! Die Zuschauer standen da schon wieder und feierten, doch ich spürte neuerliche andere Schmerzen…
Ich nahm einen Becher Cola, trank und lief vor den Zuschauern erst mal weiter. Dann ging es zwei Mal rechts um eine Kurve, die Zuschauer waren weg und ich ging.
Meine Hüfte.
Bei jedem Schritt spürte ich ein Stechen.
Klar, ich wusste schon, wovon das kam. Das war auch meinem Sturz zu verdanken. Toll. Ich hätte abkotzen können, mal wieder.
Ok, ruhig bleiben, erst mal gehen.
Ich schlenderte dann so dumm vor mich hin, dachte mir, jetzt geh ich erst mal aufs Klo, und dann lauf ich los.
Bis ein Klo auftauchte, dauerte es 4 Kilometer. Aber das Klo brachte mich dazu, immerhin mal 4 Kilometer zu gehen.
Ich besuchte das Klo, zog an der Hose, Autsch. Kruste aufgerissen. Jetzt hatte ich da auch noch eine riesige Wunde, na toll.
Nein wirklich, ich hatte keine Lust mehr, einfach null.
Aber aufgeben, niemals. „Wenns oane schafft, dann du.“
Ich hab mir nochmal einen Becher Cola geholt und bin weiter gegangen. Ich lachte mich selbst aus und sagte mir: „Sind doch bloß noch 38 Kilometer, das ist doch gar nix!“
In dem Moment hätte ich fast zu heulen begonnen. Es tat einfach alles weh.
Außer meine Muskeln, die waren tiefenentspannt. Klar, meine Muskeln waren die einzigen, die heute noch nichts leisten mussten. Außer meine Genickmuskeln, die schon.
Ich spazierte wie gesagt dann erst mal weiter und rechnete im Hirn aus (zumindest versuchte ich es), ob ich es dann im Zeitlimit von 15 Stunden schaffen würde, wenn ich den Marathon einfach gehend bewältige. Immerhin hatte ich noch um die sieben Stunden dafür Zeit. Aber letztlich kam ich zu dem Ergebnis, dass ich doch noch ein bisschen laufen müsste, wenn ich die 15 Stunden schaffen wollte. Nur irgendwie ins Ziel, mehr wollte ich nicht!
Ich versuchte dann einen Laufrythmus zu finden, der mich nicht überforderte. Ich ging im Schatten und lief in der Sonne. Das ging ungefähr bis Kilometer acht so, als es nur noch Sonne gab… und ich lief! Ich ignorierte meine Hüfte bzw. musste damit halt leben. Irgendwie musste es einfach gehen.
Ich konnte mich dann sogar wieder freuen und grinsen. Ich konnte mich wieder feiern lassen und mir ging es mehr oder weniger gut. Ich hatte mich wieder gefangen und ich fühlte mich quasi fast unschlagbar.
Das Dorf zwischen Kilometer 11 und 14 (oder so?) machte auch super Stimmung, die Leute, die dort wohnen, stellten ihre Rasensprenger auf. Alle sind da bemüht um die Athleten. Die leben wirklich dafür.
Bei Kilometer 21 hab ich Nicole dann wieder gesehen und mich natürlich gefreut. Irgendwas mit: „Super schaust aus“ oder sowas hab ich gehört. Ich musste immer grinsen. Da gibt’s Lachfalten bei so ner Langdistanz… Egal! Es war geil.
Es war wieder wie im Traum, ich war gut drauf!
Doch dann… dann kam Kilometer 25, und dort ging es in ein Waldstück rein. Es ist da eigentlich wunderschön zu laufen, aber irgendwie war ab da der Stecker gezogen.
Mein Magen schnürte sich ab, mir wurde schlecht. OK, vielleicht das nächste Klo ansteuern, vielleicht geht es dann wieder besser. Das Klo kam, danach war mir erst richtig schlecht. Ich nahm mir ein Cola, konnte es aber nicht trinken.
Ich hab es nicht runter bekommen. Mein Magen hatte nichts mehr rein gelassen.
Mein Körper rebellierte, es reichte einfach, und das zeigte er mir über meinen Magen.
Ich wollte dann weiter laufen, aber diese unruhige Laufbewegung schlug sehr auf meinen Magen und mir wurde damit nur noch mehr schlecht. Dazu kam wieder der Schwindel und ich hatte Angst, dass ich wirklich einfach umkippe.
Und wenn ich umkippe, kommen die Sanitäter und nehmen mich aus dem Rennen. Das wollte ich nicht! Ich hatte nur noch 17 Kilometer und die wollte ich jetzt schaffen, egal wie! Hauptsache Ziel, mir war alles andere egal.
Ich ging, die Zuschauer dort feuerten natürlich an, aber ich konnte beim besten Willen nicht mehr laufen.
Dazu war ich so müde, dachte an den gestrigen Tag, wo ich unter dem Baum gelegen bin und mir dachte, wie gern ich dort doch wieder liegen würde und jetzt nur kurz schlafen wollte.
Bei Kilometer 32 lag ein Athlet, der schlief seelenruhig und ich dachte mir, ich leg mich gleich mit dazu. Aber dann würde die Quälerei noch viel länger dauern, und ich muss doch ins Ziel. Ich ging an dem Typ vorbei.
Ich bekam sogar ein schlechtes Gewissen, weil Nicki und Haui solange auf mich warten mussten.
Ich sah dann kurz vor mich und hinter mich, da war in guter Entfernung grade niemand unterwegs, sodass ich mir den Finger in den Hals steckte um endlich zu kotzen. Aber mein Magen war zu stark und er behielt alles. Aber dass er einfach mal Cola aufnimmt, dazu war er zu schwach… na toll.
Normale Übelkeit war das für mich auch nicht mehr, ich hatte noch nie so etwas, und ich war ja nicht mal schnell gelaufen. Irgendwo werden sich diese unterdrückten Schmerzen halt auf meinen Kreislauf ausgewirkt haben oder was weiß ich. Ich will nichts schön reden, aber Magenprobleme hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie (klar, wenn nicht bei ner Langdistanz, wann dann).
Ich ging dann einfach weiter, weil es ja nichts half. Laufen konnte ich nicht mehr, und stehenbleiben konnte ich auch nicht, also was blieb mir anderes übrig.
Bei Kilometer 35 versuchte ich es dann nochmal mit Cola. Nichts reingekriegt.
Kurz nach dem Versorgungsstand war ein Grill angeheizt, mit lecker Wurst und Fleisch drauf, es roch eigentlich sehr gut. Doch dieser Geruch hat dann den Würgereiz ausgelöst. Ich schaute nur noch, dass ich mich hinter einer Hecke versteckte, damit die mit ihrem Grillabend das nicht mit ansehen mussten, beugte mich über ein Abflussgitter und da floss es rein.
Ich fragte mich, was ich da genau kotzte, ich hatte ja seit 10 Kilometern weder Wasser noch Cola oder sonst was zu mir genommen.
Jedenfalls freute ich mich, dass mein Magen endlich erleichtert war und wollte loslaufen. Aber nein, so funktioniert das nicht. Der Magen ist zwar leer, aber schlecht war mir trotzdem noch, sodass ich keine fünf Meter später erneut stehenblieb und wieder kotzte.
Noch 7 Kilometer.
Das bin ich daheim schon tausende Male gelaufen.
Wenn es eine schafft, dann du.
Ich versuchte dann vor den Zuschauern zu laufen (damit die einen nicht zu sehr anfeuern, weil ich eigentlich nur meine Ruhe wollte) und wenn niemand hier ist, ging ich. Aber immer, wenn ich dann zu laufen versuchte, stieg es wieder hoch. Also schnell weglaufen vor den Zuschauern, stilles Eck suchen und hingekotzt.
Dann kam das Schild mit KM36 und ich dachte, waaas noch so weit?
Seit dem ich gekotzt habe, zog sich jeder Kilometer bis ins gefühlt Unendliche.
Am KM37-Schild hab ich auch noch gekotzt.
Dann kam KM38 und es ging so langsam zurück nach Roth. Man läuft dann so einen minimalen Anstieg hoch, wo die Zuschauer schon wieder stehen und anfeuern, mal wieder startete ich einen Versuch zu laufen, doch ich bin keine 100 m weit gekommen, wieder kam alles hoch. Zwei Meter später wieder.
Die Zuschauer sagten nur: „Du hast es gleich, das ist wirklich nicht mehr weit, mach es einfach irgendwie fertig, du schaffst das.“
Ja! Ich werde es schaffen. Fünf Mal gekotzt und immer noch nicht genug!
Ich bin dann einfach wieder gegangen. Finito, kein Laufversuch mehr!
Kurz vor KM40 hab ich dann Nicki, Haui und meine Eltern stehen sehen, ich hab mich so gefreut. Wenn ich nicht so leer im Hirn gewesen wäre, hätte ich das vielleicht auch eher zeigen können.
Ich konnte dann endlich mal mit wem ratschen und mit „Berechtigung gehen“, dachte ich mir. Dann schaut das nicht so dumm aus. Nicki redete mir gut zu: „Da unten in der Innenstadt sans bloß no 2,1 km, sagt der Sprecher oiwa, de schaffst jetz aa no!“
Ich sagte: „Ja irgendwia, des is jetz aa scho wuascht. Bis dann!“
Meine Mama wollte dann noch ein paar schöne Fotos fürs Familienalbum und sagte: „Dua moi so wia wennst laaffst.“
Und ich so: „Ha! Dann sieghst mi bloß schbeim!“
Das ging einfach nicht. Ich hatte mich damit abgefunden, einfach nur zu gehen.
Dann kam man allerdings an den Rother Marktplatz, wo eine 200 m-lange Schlaufe aus Biertischen aneinander gereiht aufgebaut war und dort Zuschauer saßen und richtig Stimmung machten. Es wäre zu schade gewesen, da einfach nur zu gehen, sodass ich wieder gelaufen bin.
Mein Magen organsierte nach diesen 200 Metern eine weitere Rebellion. Ich lief gerade an zwei Restaurants vorbei, wechselte extra die Straßenseite, damit die das nicht so mit bekommen, stellte mich hin und wie immer reichte einmal kotzen nicht aus.
Wie immer zwei Meter später wieder… Was genau ich da immer kotzte, ich weiß es nicht. Ich hatte 15 KM (also bestimmt schon seit 2 Stunden) nichts mehr getrunken.
Ich ging dann wieder weiter und traf wieder auf meine Familie. „Bloß no fünf Kurven, dann hast as.“
OK, damit kann ich schon leben. Noch um die 1,5 KM. Was solls.
Meine Mama dazu nur: „Du konnst jetz aber net ins Ziel geh, da muasst scho laffa.“
Ja mal sehen, wenn ich denen ins Ziel kotzen will.
Einen Kilometer lang bin ich dann noch gegangen, wie lange so ein Kilometer sein kann, es ist unglaublich.
Ungefähr 500 Meter vorm Ziel war dann der rote Teppich ausgerollt und ich begann zu laufen. Die Zuschauermassen säumten den Weg und feuerten so stark an, es war fast wie am Solarer Berg, nur dieses Mal war es wirklich ein Traum, denn gleich würde es geschafft sein!
Ich hatte alle Schmerzen vergessen, alle Übelkeit, ich fühlte nichts mehr davon, nur noch Glückseligkeit!
Kurz vor dem Stadion hab ich Norbert, Sabine und Kerstin stehen sehen, welche mir auch noch zujubelten: „Gleich hast es!“
Ich war so leer im Kopf, ich konnte nur noch grinsen, aber keine Antwort mehr geben.
Wozu auch, die wussten wie es mir geht, alles selber Langdistanzathleten.
Ich lief auf das Stadion zu und es erwartete mich ein Lautstärkepegel, das war Gänsehaut pur. Ich weiß zwar nicht mehr, ob ich Gänsehaut hatte, aber es war einfach unglaublich.
Die letzten 200 m riss ich meine Arme in die Höhe und ballte meine linke Hand zur Siegerfaust (die rechte Hand tat einfach zu weh).
Ich hatte es geschafft! Ich war Ironman!
Wäre ich nicht so ausgetrocknet gewesen, hätte ich wahrscheinlich zu heulen begonnen.
Ich bekam meine Medaille umgehängt, ich sah meine Leute stehen an der Absperrung von Zuschauer zu Athleten und checkte einfach nichts mehr. Sie würden hier im Stadion bleiben und ich sagte, ich würde zu ihnen rein kommen, muss jetzt eben mein Zeug abholen, Shirt und Urkunde und sowas, und wäre dann gleich da.
Ich kam dann in das Stadion rein und niemand war mehr da, wo sie vorher standen. Ich wollte sie dann suchen, doch dieser Baum… da war so ein Baum, der war wie der gestrige (eigentlich war es auch nur ein Laubbaum und hatte sonst nichts mit dem anderen Baum gemeinsam), sodass ich mich unten rein hockte und mir sagte: Nur fünf Minuten nicht gehen müssen und niemanden suchen müssen. Nur fünf Minuten Ruhe… Ich wäre fast eingeschlafen, stand dann wieder auf und wusste, dass ich meine Leute suchen musste. Doch dann stand da diese Bank, eine wunderschöne Parkbank, quasi die schönste Parkbank auf der ganzen Welt, und ich sagte mir: Nur fünf Minuten nicht gehen müssen…
Ich latschte dann in den Biergarten, der kurz vor dem Stadion aufgebaut war, weil ich dachte, vielleicht sind sie ja dort.
Gefunden hab ich Sabine, Kerstin und Norbert, also da war ich schon glücklich überhaupt jemanden gefunden zu haben, auch wenn ich das vielleicht nicht so zeigen konnte.
Wir machten uns breit an einem Biertisch, Kerstin kaufte mir ein weißes Limo (weil ich das Cola leider ja nicht mehr sehen konnte). Das war so ziemlich das beste Limo, das ich je getrunken hatte.
Sabine hatte dann meine Eltern gesucht, ich glaub Kerstin auch. Ich hab das nicht mehr so realisiert. Ich saß nur da und schaute doof. Norbert sagte mir dann, ich wäre zweite in meiner Altersklasse und ich sagte, was sind da dann drei ausgestiegen oder was?
Zu fünft waren wir ursprünglich.
Also war ich deutsche Vizemeisterin, es sei denn, die Venezolanerin wäre erste, dann wär ich sogar deutsche Meisterin. Aber das war mir trotzdem alles wurscht, ich hatte Schmerzen, und eigentlich wollte ich auch nicht nochmal zur Siegerehrung fahren.
Meine Leute sind dann doch irgendwie aufgetaucht. Denen wurde von einer im Stadion gesagt: „Ja die Finisher kommen hier nicht mehr her, die gehen dann gleich raus.“
Also sind meine Leute auch aus dem Stadion und haben dort wiederum mich gesucht.
Schlussendlich sind ich und mein Papa bis zum Feuerwerk da geblieben, haben den Feuerwehrmann Bob beim Zieleinlauf gesehen.
Am allergeilsten ist es, wenn die letzten Finisher begrüßt werden. Das ganze Stadion hat dann Wunderkerzen an und ich dachte „Ich will auch letzte werden!“
Es war einfach schön!
Am nächsten Tag war noch Siegerehrung, und nein, es sind nicht drei ausgestiegen, es ist eine ausgestiegen nach 150 Radkilometern, die anderen beiden waren tatsächlich langsamer als ich.
Nach der Siegerehrung folgte der Gang zum Arzt. Mein Schleimbeutel am Ellenbogen war gerissen, wo das Glück wirklich mit den Dummen ist: er musste nicht raus operiert werden, da mein Körper die eingedrungenen Keime wohl selbst irgendwie abtötete.
Und mein rechter Daumen war tatsächlich gebrochen. Mich überraschte diese Diagnose nicht.
Ich hatte Schmerzen wie ein Tier.
Ich war einfach nur dumm. Aber iron war ich auch.
Deutsche Vizemeisterin.
Ironman.
Für mich nicht zu fassen, wie ich es schaffen konnte.