Ist zwar schon älter, passt aber:
Es geschah im Trainingslager. Mitten zwischen all den stachelbeiningen Touristikern, den wadenstarken Junioren und den ausgemergelten Marathonikern fand sich immer wieder ein Dreiergrüppchen, das einfach anders war als die anderen - Triathleten
Erster Tag. Im Speisesaal,
7:15 Uhr am Morgen. Drei Gestalten mit aufgesteckten Ugly-Sonnenbrillen streben zwischen noch leeren Tischreihen dem Buffet zu.
A: Und was machst du sonst so ?
B: Außer Triathlon ? Naja, die Regeneration ist halt wichtig, und Essen auch. Letzte Saison war ich knallhart im Übertraining, der Eisenwert total im Keller. Ich mach jetzt konsequenter Grundlagenausdauer. Fettstoffbereich. Ey, da drüben ist ja auch C. Hi, wie gehts ?
C: Mäßig. Puls 97, und das schon beim Frühstück.
A: Okay, laßt uns Essen fassen. Wir sehen uns dann um neun vorm Hotel. Haut rein, Jungs !
Unter den konsternierten Blicken des adrett gekleideten Personals greifen die Athleten zielsicher die Leckereien mit den gerade zeitgemäßen Nähr- und Mineralstoffen, packen sie in große Plastiktüten und verziehen sich damit in ihre Gemächer. Neben Schmatzgeräuschen dringen das Summen zweier Blutzentrifugen und unterdrückte Schmerzensschreie nach außen.
8:57 Uhr im Radkeller: Da eine kurze Runde auf dem Plan steht, entfernt B den zweiten Flaschenhalter.
B: Nicht schlecht der Mango-Quark. Hätten aber ein paar Kohlehydrate mehr sein dürfen. War außerdem zu basisch, und dann mußt du pro Pfund zwei große saure Gurken hinterherschieben. Es ist nämlich total wichtig, daß das Frühstück am Ende pH-neutral ist.
A: Milchprodukte ? Ist doch unnatürlich ! Ich mach jetzt seit einem Jahr nur noch "fit for life", reine Früchtekost. Es ist wissenschaftlich klar bewiesen, daß das die einzige naturgemäße Nahrung ist. Und das merkt man auch am ganzen Lebensgefühl, du bist voll im Einklang mit deiner Bestimmung und hast Power ohne Ende.
Um 9:06 Uhr ist C dann soweit. Als er die Druckluftkartusche an den Reifen setzt, streift sein krebsroter Oberschenkel den Hinterreifen. Ein Schmerzensschrei ertönt.
A: Mensch C, was ist denn mit dir los ?
C: Ich nehm´ nur noch Heißwachs für die Beine. Draufpinseln, warten bis die Schicht hart wird, und dann mit den ganzen Haaren auf einmal abreißen. Ist nix für Warmduscher, aber das Wassergefühl beim Schwimmen ist obergeil. Können wir jetzt ? Mein Puls ist nämlich gerade im optimalen Bereich.
B ( nestelt an einem Beutelchen mit aromatisiertem Stärkesirup aus dem Bund seiner Badehose ): Moment Leute, eben noch´n Schuß Glykogen nachlegen.
C: Aber hurtig - 96, 94, 93 schade, ich muß jetzt wirklich los, sorry Jungs. Wir sehen uns dann zehn nach eins am Pool.
( schiebt das Rad raus )
9:17 Uhr, die Hitze beginnt über Mallorcas Asphalt zu flimmern. Unter lautem Kettengerassel und zotigen Witzen haben sich die letzten hundert Radtouristiker längst in Marsch gesetzt. A und B überprüfen in einem Autospiegel noch einmal den korrekten Sitz von Helm und Brille, klicken ein und rollen los.
A: So ich denke wir können jetzt. Was steht auf dem Plan ?
B: 140 Kilometer Grundlagenausdauer eins. Ich hab´ kürzlich in Leibzig meine Werte aktualisieren lassen, die anaerobe Schwelle ist noch bei 163. Also Maximalpuls 127, alles andere ohne mich. Übertraining ist echt das Letzte.
25 Kilometer Schweigen. Ab und an piepst ein Pulsmesser, Zikaden singen, Isodrinks gluckern durch Schläuche, Goldfolie gibt knisternd das Mittagessen frei. C wird bald eingeholt. Mit der Auskunft, er habe leider ein schmerzendes Furunkel am Skrotum, dreht er um. Flirrende Kilometer schwerelosen Dahingleitens folgen.
A ( sichtlich entspannt ): Sag´ mal B, du warst doch letztes Jahr mit so einer Rothaarigen zusammen. Ist das noch was ?
B: Ach, nur Streß auf Dauer. Die Mädchen haben doch keine Ahnung von Trainingsaufbau, geschweige denn Disziplin. Eigentlich war es ja ganz okay: Wir arbeiten beide im Krankenhaus. Sie ist in der Verwaltung und hat ganz normale Bürostunden. Ich hab´ mich dann immer für die Nachtschicht einteilen lassen. Man sieht sich so weniger und geht sich nicht auf die Nerven. Insofern - alles bestens.
A: Ja, und warum seid ihr nicht mehr zusammen ?
B: Vor den Vereinsmeisterschaften hatte sie frei. Ich bin extra früh ins Bett, und da kommt sie und fängt an, an mir rumzumachen.
A: Und das war´s dann ?
B: Na klar ! Irgendwann hatte sie mich soweit, daß der Pulsmesser das Piepen anfing. Stell dir das mal vor: Am Abend vor dem Rennen haarscharf an der anaeroben Schwelle vorbei ! Ruckzuck hast du einen Krampf im Glutaeus maximus, und Essig ist´s mit dem Titel ! Wir haben uns dann sofort getrennt. Ich bin nochmal kurz raus, 20 Kilometer locker traben, das war´s für mich. Vergiß die Weiber. Ich kann jetzt zwei Einheiten pro Woche mehr machen.
A: Und jetzt ? Ich meine: fehlt sie dir nicht irgendwie ?
B: Ach was. Ich bin in der gleichen Saison noch 23 Sekunden schneller geworden auf der Kurzstrecke. Die Laktatwerte sind immer im grünen Bereich. Das sind Fakten, das zählt !
Verlassen wir an dieser Stelle den Windschatten der einträchtig kurbelnden Körpermaschinisten, denn von hinten nähert sich mit flatternden Zungen eine Gruppe Radrennfahrer. Was für ein athletischer Anblick ! Machtvoll stampfen glänzende Schenkel ins Pedal, entschlossene Gesichter bieten dem Fahrtwind trotzig die Stirn. Das Sirren der Speichen zerschneidet ihre taktischen Absprachen. Manifestationen reinsten Sportgeistes in umrauschte Fragmente. "Magnesiummangel ... meine Strontiumwerte ... ach was, Mangoquark. Rindfleischdiät ist der Hit .... ich dann hinterher 4 Millimol Laktat ... Latexschläuche, sag ich dir ... Scheiß Tussies ! "
Und schon sind die Helden durch. Eingeleitet von leisem, kalkigem Knistern stürzt ein Weltbild zusammen. Ein Staubwölkchen steigt in den blauen Himmel über Mallorca. Dann ist Frieden.
Jörg Spaniol ( Tour-Magazin )